Humboldt-Universität zu Berlin - Theologische Fakultät

Liselotte Richter

Liselotte Richter
(gest. 1906 in Berlin – gest. 1968 in Berlin)

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Die nachfolgend portraitierte Frau ist als erste Professorin an der HU im Bereich der Philosophie sowie Theologie bereits zu Bekanntheit gelangt. Ihre Biografie und akademische Karriere steht als ein unvergleichbares Sinnbild für die Verquickungen der Wirren totalitärer Ideologien und Unipolitik, und damit verbunden die vielfältigen Hürden, die meinungsstarke Frauen ihrer Zeit zu nehmen hatten.

Luise Charlotte Richter wurde 1906 in Berlin geboren und wuchs in einer bürgerlichen Familie in Charlottenburg auf. Kurz nach ihrer Reifeprüfung im Jahr 1926 nahm sie ein Studium der Philosophie an der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin auf. Sie wechselte nach Marburg, um dort Martin Heidegger zu hören und folgte ihm 1928 nach Freiburg. 1929 verließ sie plötzlich Freiburg, um sich von Heidegger und vermutlich von seiner Nähe zu rechten Denkern zu distanzieren. Zurück in Marburg promovierte sie mit einer Arbeit über „Subjektivität bei Kierkegaard. Ein Beitrag zur christlichen Existenzdarstellung“ bei dem jüdischen Philosophen Erich Frank. Mit ihrer Arbeit, die ausgezeichnet wurde, knüpfte Richter an existenzphilosophische Neuansätze an. Zwei Jahre später wurde ihre Doktorarbeit schließlich publiziert und u.a. von Karl Jaspers wahrgenommen, mit dem sie über längere Zeit Briefkontakt hielt.

Wie viele Frauen ihrer Zeit absolvierte auch Richter 1932 die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen. Noch in Marburg engagierte sie sich in der KPD und den Organisationen „Rote Hilfe“ und „Marxistische Arbeiterschule“, was 1933 zu ihrer kurzzeitigen Inhaftierung führte. Im Sommer des gleichen Jahres zog sie zurück nach Berlin. Nach fast dreijähriger Arbeitslosigkeit erhielt sie eine wissenschaftliche Hilfskraftstelle in der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Diese Position war letztlich weit unter ihrer Qualifikation und mit sehr geringem Gehalt verbunden. Parallel zu ihrer Arbeit an der Akademie verfolgte Richter eigene wissenschaftliche Arbeiten und Veröffentlichungen, wie sich in den Publikationen zu René Descartes und Jakob Böhme, später auch zu Leibniz und Moses Mendelsohn nachvollziehen lässt. 1943 nahm sie – nicht zuletzt wegen der besseren Bezahlung – eine Stelle beim nationalsozialistischen Organ „Deutsche Studentenschaft“ an. Dort arbeitete sie für die Zeitschrift „Junges Europa“, welche für NS-Propaganda in den Dienst genommen wurde. Ihre Motive dafür lassen sich auch auf Selbstschutz zurückführen.

Unmittelbar nach dem Krieg übernahm Richter den Aufbau und die Leitung der Charlottenburger Volkshochschule. Zudem wurde sie zur Bezirksstadträtin für Volksbildung ernannt. Noch im gleichen Jahr meldete sich Richter zur Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Berliner Universität an und im Oktober 1948 wurde sie zur Professorin mit vollem Lehrauftrag ernannt. Damit war sie die erste Philosophieprofessorin Deutschlands. Ihre eigenen Interessen, die sich auf dem Grenzgebiet zwischen Philosophie und Theologie befanden, stießen auf großes Interesse bei ihren Nachkriegshörer:innen.

Auch im Privaten waren die Jahre nach 1945 getragen von ihrem (bildungs-)politischen Engagement: so gründete sie im Mai 1945 in ihrem Haus einen privaten Philosophiekreis. Im September des gleichen Jahres trat sie offiziell der KPD bei. Bereits 1946 war sie deshalb Mitglied der SED geworden, die schnell versuchte, Einfluss auf die Universitätspolitik zu nehmen. Richter sah die Universität durch die Einflussnahme der SED in Gefahr und nahm dazu öffentlich Stellung. Und obwohl Richter der marxistischen Theorie nicht abgeneigt war, wehrte sie sich dagegen, Philosophie mit Marxismus gleichzusetzen und alle Lehre über den Marxismus hinaus zu unterbinden. Sie verfolgte vielmehr das Konzept einer gemeinsamen akademischen Tradition, die viele europäische Länder umfasst. Richter trat in einem Brief an den Rektor für Wissenschaftsfreiheit ein. Dies führte dazu, dass ihr abgesprochen wurde, die marxistische Linie der Partei vertreten zu können. Sie geriet zunehmend in Widerspruch zur Universitätsführung wie den Kollegen. Bereits 1948 trat Richter aus der SED aus.

Um überhaupt weiterhin lehren zu können, strebte sie einen Wechsel in die Theologische Fakultät an, der ihr erst nach einer weiteren, jetzt theologischen Promotion gelang. Das Thema dieser Dissertation war „Immanenz und Transzendenz im nachreformatorischen Gottesbild“. 1951 erhielt sie den Lehrstuhl für Religionsphilosophie (später: Religionswissenschaft). 1950 erlitt sie zudem einen schweren Unfall, von dem sie bleibende Schäden trug. Ihr Bemühen in der Gestaltung des Faches und der Lehre der Religionsphilosophie lag auf einer studierendenorientierten Lehre. Richter wurde zu einer herausragenden Lehrerin; mehrere ihrer Schüler hatten später Professuren an der HU inne.

Trotz ihrer immer wieder geäußerten Verzweiflung über ihre Berufs- und Lebenssituation publizierte Richter ungemindert. Neben Glaubensfragen und den Zukunftsmöglichkeiten einer christlichen Religion widmete sie sich weiterhin der Existenzphilosophie, jetzt vor allem der des Philosophen Jean-Paul Sartre. Nach dem Mauerbau blieb sie in Ruhleben und pendelte bis zu ihrer Emeritierung zwischen Ost- und Westberlin. 1968 starb sie in Berlin.