Humboldt-Universität zu Berlin - Theologische Fakultät

Elisabeth Schmitz

Elisabeth Schmitz

(geb. 1893 in Hanau, gest. 1977 in Offenbach)

Porträt Elisabeth Schmitz.jpg

Elisabeth Schmitz wurde 1893 in Hanau geboren und stammte aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus. Ihr Bildungsweg begann mit dem Besuch einer privaten „höheren Mädchenschule“ in Hanau. Ab 1909 wechselte sie an die neugegründete Schillerschule (Mädchengymnasium) in Frankfurt, um dort als eine der ersten ihr Abitur abzulegen. Schmitz gehörte folglich der Generation „weiblicher Wegbereiterinnen“ an.

1914 nahm sie an der Universität Bonn ein Studium in den Fächern Geschichte, Germanistik und Theologie auf; 1915 erfolgte der Wechsel an die Universität in Berlin. Seit 1916 gehörte sie dem Schülerkreis von Friedrich Meinecke an und bereits ein Jahr später war sie als erste Frau Teilnehmerin des „kirchengeschichtlichen Seminars“ Adolf von Harnacks. Beide Lehrer wurden mit ihrer liberalen Geisteshaltung prägende Persönlichkeiten in Schmitz‘ Karriere und Leben. 1920 wurde Elisabeth Schmitz schließlich mit einer Dissertation zu Edwin von Manteuffel promoviert. Kurz darauf schloss sie das Studium mit dem Ersten Staatsexamen ab. Während des schulischen Vorbereitungsdienstes studierte Schmitz drei Jahre zusätzlich Theologie. Nach Bestehen des Zweiten Staatsexamens 1923 war unklar, ob sie in Berlin bleiben könne, weil sie als Lehrerin zunächst keine Arbeitsstelle fand. Ihr Weg in den Schuldienst war hürdenreich: eine eigenständige Berufstätigkeit mit akademischem Abschluss stand Frauen zu dieser Zeit nur in engen Grenzen offen. Gemäß der vorherrschenden Rechtslage musste sie für den öffentlichen Schuldienst ehe- und familienlos bleiben („Lehrerinnenzölibat“). Vom Abschluss des ersten Staatsexamens für das Lehramt bis zur Übernahme in das Beamtenverhältnis als Studienrätin an der Luisenschule vergingen schließlich acht Jahre.

Ihre Tätigkeit als Studienrätin ab 1929 wurde von den gesellschaftspolitischen Zäsuren überschattet. Im Zuge der NS-Gleichschaltung bekam sie Probleme mit dem Schuldirektor an der Luisenschule und wurde schließlich 1935 zusammen mit ihrer Kollegin Elisabeth Abegg an ein Gymnasium in Lankwitz versetzt. Elisabeth Schmitz war links-liberal gesinnt und stellte sich gegen die nationalprotestantische „Durchschnittskirche“. Bereits vor 1933 engagierte Schmitz sich in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und wurde 1934 Mitglied der Bekennenden Kirche (BK). Durch ihr kirchliches Engagement wurde sie unmittelbar auch zur politischen Aktivistin. Innerhalb der Bekennenden Kirche gehörte sie zum Mittwochskreis um Anna von Gierke (Bibel- und Vortragsabende). Dort fand auch der Austausch unter Regimegegner*innen statt und wurde Hilfe für untergetauchte Juden und Jüdinnen organisiert. In den Jahren 1933 bis 1937 nahm Elisabeth Schmitz ihre nicht-arische Freundin Dr. Martha Kassel in ihre Wohnung auf.

Elisabeth Schmitz hatte ein sehr großes und enges Frauennetzwerk, denn der Austausch und die Solidarisierung zwischen Kolleginnen und gleichgesinnten Frauen war ganz entscheidend für sie. Unter ihren Korrespondenzpartner*innen befanden sich auch führende Theologen (u.a. Karl Barth, Friedrich von Bodelschwingh und Walter Künneth). Schmitz fühlte sich zuständig, sie über die Situation in Berlin auf dem Laufenden zu halten und bat die leitenden Männer der BK darum, sich gegen die Entrechtung der Juden und Jüdinnen zu positionieren. Ihre vehementen pro-jüdischen Forderungen schlugen sich oft in einem konfrontativen Ton in diesen Briefwechseln nieder. Für sie war ein Widerstand gegen die NS-Gleichschaltung und gegen die Ausgrenzung von Jüd*innen als Akt christlicher Nächstenliebe notwendig.

Die Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ für die Bekennende Kirche wurde von Schmitz im September 1935, kurz nach Erlass der Nürnberger Rassegesetze, verfasst. Anlass dazu war die Synode der APU in Berlin-Steglitz Ende September 1935. Schmitz wollte mit dieser Schrift nicht nur informieren, sondern auch „aufrütteln“, um die Kirche zu einem Bekenntnis für das Zusammenstehen mit den als „Juden“ entrechteten Menschen zu bewegen. In der Denkschrift schlägt sich ihre jahrelange Recherche (u.a. in internationalen Zeitungen) nieder: sie schildert Fälle von Entrechtung nichtarischer Bevölkerungsteile. Der Ton der Denkschrift ist erstaunlich sachlich gehalten, nur in einzelnen Sätzen lässt sie erkennen, was aus ihrer Aufstellung der Faktenlage folgt und was sie von der Kirche fordert. Sie möchte, dass die Kirche Verantwortung übernimmt und sich öffentlich gegen die Entrechtung der nichtarischen Bevölkerung ausspricht. Ihre Denkschrift geht weiter als alle vorausgegangenen Äußerungen zur sog. „Judenfrage“, da sie darauf zielt, dass die Kirche sich nicht nur für ihre Mitglieder*, die christlichen Nichtarier, einsetzt, sondern für alle von der Entrechtung betroffenen Menschen. Ihnen sei aus christlicher Nächstenliebe, unabhängig von Glauben oder Rasse beizustehen.

Eine unmittelbare, breite Wirkung der Denkschrift in der Bekennenden Kirche blieb aus, obwohl anzunehmen ist, dass einzelne Empfänger*innen dadurch von ihr beeinflusst wurden. Dass die Denkschrift nicht wahrgenommen wurde, geht auf Marginalisierungs- und Diskriminierungsdynamiken zurück: sowohl weil sie eine Frau als auch weil sie keine Amtsperson in der Kirche war. Der Widerstand gegen die Entrechtung der Nicht-Arier war innerhalb der Bekennenden Kirche eine außergewöhnliche Haltung. Diese Haltung war gefährlich, weshalb Schmitz die Schrift anonym verbreitete. Ihre Autorinschaft konnte erst 1999 von Dietgard Meyer nachgewiesen werden.

Elisabeth Schmitz kündigte 1938 nach der Reichspogromnacht und ließ sich in den Ruhestand versetzen. Sie versteckte auch weiterhin Jüd*innen und entging einer Verfolgung und Verurteilung durch den NS-Staat. Sie starb schließlich 1977 in Offenbach.

Elisabeth Schmitz kann resümierend als eine durchsetzungsstarke Widerstandskämpferin bezeichnet werden, die sich unter Einsatz ihres Lebens für ihre als „jüdisch“ ausgegrenzten Mitbürger*innen einsetzte. Bemerkenswert ist, dass dies in einer Zeit geschieht, in der Frauen sich grundlegend, über alle Lebensbereiche hinweg Gehör und Respekt erkämpfen mussten. Schmitz erschuf und pflegte ein Netzwerk von Gleichgesinnten, das die Unterstützung von Verfolgten erst ermöglichte. Dabei zeigt sie ein Selbstbewusstsein, das nicht auf bereits bestehende (männliche) Strukturen aufsetzen konnte, sondern sich erst durch eine eigene Kultur der Kommunikation und des Zusammenwirkens von Frauen und Männern entwickeln musste. Schmitz ist in vielerlei Hinsicht eine Frau von außergewöhnlicher Geistes- und Herzenshaltung und verdient es – wenn auch viele Dekaden verspätet – als eben diese öffentlich gewürdigt zu werden.