Humboldt-Universität zu Berlin - Literaturgeschichte und Theologie des Alten Testaments

Altes Testament in Berlin

Zur Geschichte der Erforschung des Alten Testaments an der Universität Unter den Linden (ehemals Friedrich-Wilhelms-Universität, heute Humboldt-Universität zu Berlin)

 

Mit der Berufung des zunächst in Heidelberg wirkenden Exegeten Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1780–1843) zog schon bei der Gründung der Friedich-Wilhelms-Universität zu Berlin (1809/1810) die alttestamentliche Wissenschaft als eigenständige Disziplin in die Theologische Fakultät ein. Die von W.M.L. de Wette in seiner Berliner Zeit verfassten, erschienenen oder neu aufgelegten Werke, darunter das „Lehrbuch der hebräischen und jüdischen Archäologie“ (1814), das „Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in die kanonischen und apokryphischen Bücher des Alten Testaments“ (1817), der „Commentar über die Psalmen“ (1811, zweite Auflage 1823) und die seinem ihm freundschaftlich verbundenen Kollegen Schleiermacher gewidmete „Biblische Dogmatik Alten und Neuen Testaments oder kritische Darstellung der Religionslehre des Hebraismus, des Judenthums und Urchristenthums. Zum Gebrauch akademischer Vorlesungen“ (1813, zweite Auflage 1818), kennzeichnen als wesentliche Grundzüge, die sich mit wechselnden Schwerpunkten durch die Geschichte der Erforschung des Alten Testaments in Berlin hindurchziehen: 

  • die enge Verbindung von literatur- und religionsgeschichtlicher Arbeit, 
  • die hohe Bedeutung der Philologie, insbesondere der (vergleichenden) Semitistik,
  • die didaktisch geschickte Vermittlung der Forschung in die akademische Lehre.

Über die W.M.L. de Wette nachfolgenden Exegeten wurden diese Grundzüge inhaltlich konkretisiert im Blick auf:

  • die Kulturgeschichte Ägyptens und des Nahen Ostens,
  • die Judaistik (rabbinisches Judentum und Judentum der hellenistisch-römischen Zeit),
  • die Erschließung der materialen Kultur (die „Biblische Archäologie“). 

Von nahezu jedem Alttestamentler, der als Ordinarius, Extraordinarius oder Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität bzw. der Humboldt-Universität, in deren Theologischen Fakultät auch die Tradition der Kirchlichen Hochschule Berlin-Zehlendorf (1935–1941; 1946–1993) und der Kirchlichen Hochschule Berlin-Brandenburg („Sprachenkonvikt“, 1946–1991) fortlebt, tätig war, stammen methodologisch wegweisende Studien (so vor allem zur Gattungsforschung und zur vergleichenden Religionsgeschichte), substantielle Kommentare zu einzelnen Schriften des Alten Testaments, literaturgeschichtliche Synthesen und methodisch ausgezeichnete Lehrbücher, die mitunter zahlreiche Auflagen erlebten und Generationen von Theologiestudenten prägten.
Das seit Beginn der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts neu aufgestellte Seminar für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität steht hinsichtlich seiner literatur- und religionsgeschichtlichen sowie seiner philologischen und hermeneutischen Ausrichtung alttestamentlicher Wissenschaft in der Tradition seiner Vorgängerinstitutionen und versucht diese mittels der Schwerpunktsetzungen seiner beiden Lehrstühle (Literaturgeschichte und Theologie des Alten Testaments; Geschichte Israels in der altorientalischen Welt) sowie seines Instituts für altorientalische und hellenistische Religionsgeschichte weiter zu profilieren.

Literatur:

Bernhardt, Karl-Heinz: Die Geschichte des Berliner Lehrstuhls für Altes Testament, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin. Gesellschaftswissenschaftliche Reihe XXXIV (1985) 7, S. 527–532.

Liwak, Rüdiger: Das Alte Testament und die Theologische Fakultät in der Gründungszeit der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, in: 450 Jahre Evangelische Theologie in Berlin, hg. v. G. Besier u. C. Gestrich, Göttingen 1989, S. 163–182 (Nachdruck in: R. Liwak, Israel in der altorientalischen Welt. Gesammelte Studien zur Kultur- und Religionsgeschichte des antiken Israel, hg. v. Dagmar Pruin u. Markus Witte, BZAW 444, Berlin/Boston 2013, S. 263–282).

Smend, Rudolf: Kritiker und Exegeten. Porträtskizzen zu vier Jahrhunderten alttestamentlicher Wissenschaft, Göttingen 2017.

Witte, Markus: Das Alte Testament und die Religionsgeschichte, in: Evangelische Theologie an Staatlichen Universitäten, hg. v. S. Alkier u. H.-G. Heimbrock, Göttingen 2011, S. 300–321.

Witte, Markus: Von der Analyse zur Synthese. Historisch-kritische Anmerkungen zu Hermann Gunkels Konzept einer israelitischen Literaturgeschichte, in: Hermann Gunkel revisited, hg. v. U.E. Eisen u. E.S. Gerstenberger, Münster 2010, S. 21–51.

Witte, Markus: Hugo Gressmann (1877–1927) – Ein Leben für die Geschichte der Religion, in: Biblische Notizen 179 (2018), S. 107–120. 


 

Das Fach Altes Testament blickt in Berlin auf eine vielfältige Geschichte zurück. An dieser Stelle wird eine Auswahl von ehemaligen Vertretern des Faches präsentiert.

 

Übersicht:

(per Klick auf den Namen gelangen Sie direkt zur jeweiligen Person)

  1. Wilhelm Martin Leberecht de Wette
  2. Ernst Wilhelm Hengstenberg
  3. Johann Karl Wilhelm Vatke
  4. Konstantin Schlottmann
  5. August Dillmann
  6. Wolf Wilhelm Graf von Baudissin
  7. Hermann Leberecht Strack
  8. Friedrich Baethgen
  9. Hermann Gunkel
  10. Ernst Sellin
  11. Alfred Bertholet
  12. Hugo Gressmann
  13. Otto Eißfeldt
  14. Johannes Hempel
  15. Leonhard Rost
  16. Ludwig Wächter

 


Wilhelm Martin Leberecht de Wette

Biographie

De Wette
* 1780 † 1849
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Weimar, studierte der Pfarrerssohn 1799–1805 in Jena Theologie. Seine Promotion eröffnete die Pentateuchforschung des 19. Jh. Seit 1807 Professor in Heidelberg, übersetzte er gemeinsam mit J.Ch.W. Augusti das AT und kommentierte die Psalmen unter Vorausnahme wesentlicher Elemente der gattungsgeschichtlichen Betrachtung H. Gunkels. In Heidelberg schloss er Freundschaft mit J.F. Fries, dessen anthropologisches System von „Wissen, Glauben und Ahndung“ er seiner eigenen Dogmatik zugrunde legte. Seit 1810 war er Professor an der eben gegründeten Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin und schloss 1817 Freundschaft mit F. Schleiermacher. Seit 1822 Professor in Basel, erwarb er sich große Verdienste um Fakultät und Universität, aber kirchlich-theologisch zerrieb er sich zwischen Pietismus und Spekulation. Für die Fortschritte der historisch kritischen Bibelwissenschaft im Zusammenhang mit der Philosophie Hegels hatte er wenig Verständnis. Das Hauptwerk seiner Basler Zeit ist das „Kurzgefaßte exegetische Handbuch zum NT“ (1835–1848).

Ausgewählte Werke

  • Vf. u.a.: Lehrbuch der Hebräisch-Jüdischen Archäologie, 1814, 31842.
  • Christliche Sittenlehre, 3 Bde., 1819–1823.
  • Commentar über die Psalmen, 1811, 21823.
  • Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in die Bibel Alten und Neuen Testaments, Bd.1, 1817, 61845; Bd.2, 1826, 51847.
  • Über die Religion, ihr Wesen, ihre Erscheinungsformen und ihren Einfluß auf das Leben, 1827.

 


Ernst Wilhelm Hengstenberg

Biographie

hengstenberg
* 1802 † 1869
H. studierte in Bonn orientalische und klassische Philologie. Er habilitierte sich 1824 in Berlin für Orientalistik, wechselte 1825 aber in die theologische Fakultät. Dort 1826 Ernennung als Nachfolger de Wettes zum a.o. und 1828 zum o. Professor. Als Hg. der 1827 gegründeten Evangelischen Kirchenzeitung bekämpfte Hengstenberg den aufklärerisch-liberalen Rationalismus, den idealistischen Bildungsprotestantismus und die deutsche Klassik. Gegen die Rationalisten, die Rechtsstaat und konstitutionelle Monarchie forderten, gab er überkommenen Theologumena einen neuen politischen Sinn, um einen neoständisch geordneten „christlichen Staat“ mit gott- gegebener monarchischer Autorität zu legitimieren. Als akademischer Lehrer bekämpfte er die theologischen Hegelianer. Die polemische Frontstellung gegen die kritische Historisierung der Exegese verband er in zahlreichen Studien mit streng altprotestantischen dogmatischen Vorgaben. Seine christologische Hermeneutik der Hebräischen Bibel kann als frühe Gestalt einer integrativen „Biblischen  Theologie“ gelesen werden. H. war der erste, der sich mit der Bedeutung der ägyptischen Archäologie für die atl. Wissenschaft auseinandersetzte.

Ausgewählte Werke

  • Einige Worte über die Nothwendigkeit der Überordnung des äußeren Wortes über das innere, nebst Stellen aus Luthers Schriften, 1825.
  • Christologie des AT, 4 Bde., 1829–1835.
  • Die Bücher Mose’s und Aegypten, 1841.

 


Johann Karl Wilhelm Vatke

Biographie

Vatke
* 1806 † 1882

© UB der HU zu Berlin
Porträtsammlung: Wilhelm Vatke
V. war seit 1820 Schüler an den Franckeschen Stiftungen in Halle, ab 1824 studierte er Theologie in Halle, Göttingen und Berlin u.a. bei W. Gesenius, H. Ewald, A. Neander und G.W.F. Hegel. Seit 1830 als Privatdozent in Berlin, wurde er 1837 zum außerordentlichen Professor für Bibelwissenschaft und Religionsphilosophie an der theologischen Fakultät ernannt. Die Berufung zum ordentlichen Professor scheiterte dauerhaft am Widerstand E.W. Hengstenbergs u.a. Enge Beziehungen bestanden zu Ph.K. Marheineke, K.I. Nitzsch und D.F. Strauß. Die Bedeutung Vatkes besteht mit Blick auf das AT – im Anschluss an W.M.L. de Wette und unter Zugrundelegung einer an Hegel orientierten Religionssystematik – in der Rekonstruktion der alttestamentlichen Religionsgeschichte als einer Entwicklung von der Naturreligion zum Monotheismus. Die Gesetzgebung ist für Vatke ein Produkt der Perserzeit. Seine durch Hegel beeinflusste Religionsphilosophie hat – im Gegensatz zur Aufnahme seiner historischen Forschung am AT durch J. Wellhausen – keine Nachfolger gefunden.

Ausgewählte Werke

  • Die Religion des AT nach den kanonischen Büchern entwickelt, 1835.
  • Die menschliche Freiheit in ihrem Verhältniß zur Sünde und zur göttlichen Gnade, 1841.
  • Historisch-kritische Einleitung in das AT, 1886.
  • Religionsphilosophie oder Allgemeine Philosophische  Theologie, 1888.

 


Konstantin Schlottmann

Biographie

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* 1819 † 1887

© www.catalogus-professorum-halensis.de
Der Sohn eines Regierungsbeamten studierte nach dem Besuch des Gymnasiums in seiner Heimatstadt Minden ab 1836 Theologie, Philologie und Philosophie an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Zunächst das Pfarramt anstrebend, begab sich Sch. nach bestandener Kandidatenprüfung in das Predigerseminar zu Wittenberg. 1842 kehrte er nach Berlin zurück und nahm eine wissenschaftliche Laufbahn auf. In diesem Unterfangen bestärkt wurde er durch seinen im Studium gewonnenen Lehrer August Neander, Professor für Kirchengeschichte, dessen Theologie das theologische Denken Schlottmanns nachhaltig beeinflusste. 1846 wurde er mit einer Arbeit selbsgedichteter christologischer Lieder, die er im Stile der alttestamentlichen Poesie auf Hebräisch verfasste, unter dem Titel „širê šachar leîs aškenazi åšer šâr libnê jisraêl“ (Lieder der Morgenröte von einem deutschen Manne, welche er sang den Söhnen Israels) promoviert. 1847 habilitierte er sich für das Fach Altes Testament und dehnte seine Studien auf die semitischen Sprachen, sowie Mittelpersisch und Sanskrit aus, was sich in seinem Hiobkommentar (1851) niederschlug, für den er auch indische Parallelen zur alttestamentlichen Hioberzählung zu identifizieren vermeinte. Ab 1850 Gesandschaftsprediger der preußischen Botschaft in Konstantinopel, erhielt Sch. 1855 einen Ruf zum ordentlichen Professor für neutestamentliche Exegese und Dogmatik an die Universität Zürich. 1859 vollzog er einen Wechsel an die Universität Bonn, wo er nun einen alttestamentlichen Lehrstuhl innehatte. 1866 erfolgte die Versetzung nach Halle.

Ausgewählte Werke

  • Das Buch Hiob: verdeutscht und erklärt, 1851.
  • Die Inschrift Eschmanuzars Königs der Sidonier geschichtlich und sprachlich erklärt, 1868.
  • Die Stele Mesa’s Königs der Moabiter. Ein Beitrag zur hebräischen Alterthumskunde, 1870.
  • Das Vergängliche und Unvergängliche in der menschlichen Seele nach Aristoteles, 1873.
  • Erasmus redivivus sive de curia romana hucusque insanabili, 2 Bde., 1883–1889.
  • Kompendium der biblischen Theologie des Alten und Neuen Testaments, 31907.

 


August Dillmann

Biographie

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* 1823 † 1894

© UB der HU zu Berlin
Porträtsammlung: August Dillmann (Format (8“)
D. studierte an der Universität Tübingen Theologie und Philosophie. Er widmete sich als Schüler Heinrich G.A. Ewalds orientalischen Studien. Nach der Promotion zum Dr. phil. studierte er von 1846-1848 äthiopische Handschriften in Paris, London und Oxford. Nach seiner Rückkehr wurde D. in Tübingen Repetent am Tübinger Stift, 1851 Privatdozent und 1853 a.o. Professor. 1854 wechselte er an die Universität Kiel, wo er 1860 die ordentliche Professur für orientalische Sprachen erhielt. 1864 wechselte er als ordentlicher Professor für atl. Exegese an die Universität Gießen. 1869 wurde er an der Universität Berlin als Nachfolger von E.W. Hengstenberg Professor für Altes Testament und orientalische Sprachen. 1875/76 bekleidete er das Amt des Rektors an der Berliner Universität. 1881 Präsident des internationalen Orientalistenkongresses. Ab 1872 war er auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und ab 1877 ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Bekannt wurde D. als Neubegründer der äthiopischen Philologie und als Verfasser zahlreicher Kommentare zu Büchern des AT.

Ausgewählte Werke

  • Grammatik der äthiopischen Sprache, 1857.
  • Lexicon linguae aethiopicae, 1865.
  • Chrestomathia aethiopica, 1866.
  • Hiob, 1869.
  • Die Genesis, 1882.
  • Der Prophet Jesaja, 1890.

 


Wolf Wilhelm Graf von Baudissin

Biographie

Baudissin
* 1847 † 1926

© UB der HU zu Berlin
Porträtsammlung: Wolf Wilhelm von Baudissin
Baudissin studierte Theologie und Orientalismus in Erlangen, Heidelberg, Berlin, Leipzig und Kiel, wobei sein wichtigster Lehrer Franz Delitzsch war. Nach seiner Habilitation in Leipzig 1874 war er von 1876 bis 1881 Professor für das Alte Testament in Straßburg. 1881 ging er nach Marburg, wo er bis zu seinem Wechsel im Jahr 1900 nach Berlin blieb. In seiner Antrittsrede als Rektor im Oktober 1912 befasste er sich mit dem Thema „Die alttestamentliche Wissenschaft und die Religionsgeschichte.“ Bezüglich der alttestamentlichen Einleitungsfragen besonnen konservativ, leistete er Bahnbrechendes in der Heranziehung der damals (also vor der Entdeckung der Texte von Ugarit) bekannten Reste der phönizisch-kanaanäischen und der aramäischen Religion für das Verständnis der israelitisch-jüdischen Gottesvorstellung.

Ausgewählte Werke

  • Vf. u.a.: Studien zur Semitischen Religionsgeschichte, 2 Bde., 1876/78.
  • Einleitung in die Bücher des AT, 1901.
  • Kyrios als Gottesname im Judentum und seine Stelle in der Religionsgeschichte, 4 Bde., 1929.
  • Bibliographie in: Abhandlungen zur Semitischen Religionskunde und Sprachwissenschaft. W.W.Gr.v.B. zum 26.9.1917 (BZAW 33, 1918).

 


Hermann Leberecht Strack

Biographie

Strack
* 1848 † 1922

© UB der HU zu Berlin
Porträtsammlung: Hermann Strack
Strack, dem konservativen Protestantismus verbundener Theologe und Judaist. Seit 1877 a.o. Prof. für AT und ao. Sprachen in Berlin; 1883 Mitbegründer, seit 1886 Leiter des Institutum Judaicum Berolinense, das sich der wissenschaftlichen Erhellung jüdischer Geschichte, Literatur und Kultur, aber auch der Judenmission verschrieb. Obwohl ihm die missionarische Zielsetzung und die theol. Behauptung der Überlegenheit des Christentums Kritik eintrug, wurde S. von jüdischen Kollegen wegen seines engagierten Eintretens gegen die judenfeindliche Agitation A. Stoeckers und die verbreitete antisemitische „Talmudhetze“ sowie auf Grund seiner Forschungen zur rabbinischen Literatur und zur Geschichte des palästinensischen Judentums sehr geschätzt. In seinen Arbeiten zur Hebräischen Bibel betonte S. die heilsgeschichtliche Kontinuität von AT und NT. Bahnbrechend für die ntl. Forschung wurde die philologisch-exegetische Erschließung von Talmud und Midrash als des kulturellen Mutterbodens des frühen Christentums. Neben einer historisch-literarischen Einleitung in die rabbinische Literatur publizierte er gemeinsam mit P. Billerbeck einen „Kommentar zum NT aus Talmud und Midrasch.“

Ausgewählte Werke

  • Katalog der Hebräschen Bibelhandschri en der Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek in St. Petersburg. St. Petersburg und Leipzig 1875, in Zusammenarbeit mit Abraham Harkavy.
  • Prophetarum Posteriorum Codex Babylonicus Petropolitanus, 1876.
  • Prolegomena Critica in Vetus Testamentum Hebraicum, 1873.
  • Vf. u.a.: Das Blut im Glauben und Aberglauben der Menschheit, 1900.
  • Die Sprüche Jesus', des Sohnes Sirachs, 1903.
  • Einleitung in Talmud und Midrasch, 1921.
  • Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. In Zusammenarbeit mit Paul Billerbeck, 4 Bände, 1922–1928.

 


Friedrich Baethgen

Biographie

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* 1849 † 1905

© www.catalogus-professorum-halensis.de
Nach der Gymnasialzeit studierte B. zunächst ab 1870 in Göttingen. Das Studium musste er nach kurzer Zeit unterbrechen, da er eingezogen zur Armee, am Deutsch-Französischen Krieg teilnahm. Nach der Rückkehr setzte er sein Studium fort und wechselte nach einiger Zeit nach Kiel, wo er 1877 zum Lic. theol. promoviert und 1878 zum Privatdozenten für Altes Testament ernannt wurde. In Leipzig wurde er außerdem 1878 mit einer Dissertation zu einer Fabel aus dem Sindbad-Mythos („Sindban oder die sieben weisen Meister – syrisch und deutsch“) zum Dr. phil. promoviert. In Kiel wurde er 1884 außerordentlicher Professor. Als dieser kam er 1888 an die Universität von Halle, ehe er 1889 ordentlicher Professor in Greifswald wurde. 1895 erfolgte dann der Wechsel als ordentlicher Professor nach Berlin. Im Besonderen wirkte B. auf philologischem und religionsgeschichtlichem Gebiet. Gleichzeitig dehnte er seine wissenschaftliche Betätigung auf das Feld der Semitistik aus, auf welchem er sich mit dem Syrischen und Arabischen auseinandersetzte.

Ausgewählte Werke

  • Untersuchungen über die Psalmen nach der Peschita, 1878.
  • Anmut und Würde in der alttestamentlichen Poesie, 1880.
  • Beiträge zur semitischen Religionsgeschichte, 1888.
  • Psalmen, übersetzt und erklärt, 1892, ³1904.

 


Hermann Gunkel

Biographie

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* 1862 † 1932

© UB der HU zu Berlin
Porträtsammlung: Hermann Gunkel
(Fotograf: Pawlowsky)
G. war zunächst Dozent für NT in Göttingen, lehrte dann AT in Halle; anschließend war er a.o. Prof. in Berlin, Prof. in Gießen und Halle. G. war eine führende Gestalt der religionsgeschichtlichen Bewegung und gilt als einer der einflussreichsten Alttestamentler des 20. Jh. Er nahm die zu seiner Zeit vorherrschende literarkritische Analyse der verschrifteten Texte auf. In seinem Werk „Schöpfung und Chaos“ untersuchte G. die Geschichte der Rezeption ao. Schöpfungsmythen von Gen 1 bis zur Apk. Er führte die Methode der Traditionsgeschichte und der Gattungsgeschichte in die atl. Wissenschaft ein und zeigte die Möglichkeit auf, hinter späte lit. Kompositionen wie die des Pentateuch zu frühen Stadien der Traditionsgeschichte Israels zurückgehen zu können. In seinem Genesis-Kommentar konzentrierte sich G. auf kleinere literarische Einheiten, deren Autoren er als „Sammler“ und nicht als Vf. im strengen Sinn bezeichnete. G. legte aber den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die mündliche Vorgeschichte der Texte und bemühte sich um eine soziokulturelle Verortung der Texte („Sitz im Leben“). Schließlich erhob G. die Forderung nach einer echten literaturgeschichtlichen Erforschung des AT.

Ausgewählte Werke

  • Die Wirkungen des heiligen Geistes: nach der populären Anschauung der apostolischen Zeit und der Lehre des Apostels Paulus: eine biblisch-theologische Studie, 1888.
  • Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit : eine religionsgeschichtliche Un- tersuchung über Gen 1 und Ap Joh 12, 1895.
  • Genesis, übersetzt und erklärt, 1902.
  • Israel und Babylonien: Der Einfluss Babyloniens auf die Israelitische Religion, 1903.
  • Die Psalmen. Übersetzt und erklärt, 1929.
  • Einleitung in die Psalmen. Die Gattungen der religiösen Lyrik Israels (zusammen mit J. Begrich), 1933.

 


Ernst Sellin

Biografie

Sellin
* 1867 † 1946

© UB der HU zu Berlin
Porträtsammlung: Ernst Sellin
Sellin studierte Evangelische Theologie und Orientalistik in Rostock. Er wurde 1897 Prof. in der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien, später in Rostock und Kiel und lehrte von 1921 bis zu seiner Emeritierung 1935 an der Universität Berlin. Er fand vor allem als Exeget, Einleitungswissenschaftler und Ausgräber Beachtung. Sellin erkannte früh die Wichtigkeit der Archäologie in Bezug auf seine theologischen Arbeiten und leitete von 1902 bis 1904 die Ausgrabungen auf dem Tell Ta‘anach in Palästina. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit bildete die archäologische Erforschung der Stadt Jericho (Tell es Sultan, 1907 bis 1909) und Sichem (Tell Balata, 1913 bis 1914). Sellin stellte anfangs des 20. Jahrhunderts die These auf, Mose sei als „Märtyrer“ von den Israeliten getötet worden. In seiner Studie „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ stützt sich Sigmund Freud auch auf Erkenntnisse Sellins.

Ausgewählte Werke

  • Beiträge zur israelitischen und jüdischen Religionsgeschichte, 1896.
  • Studien zur Entstehungsgeschichte der jüdischen Gemeinde, 1901.
  • Das Rätsel des deuterojesajanischen Buches, 1907.
  • Einleitung in das Alte Testament, 1910, 12 Auflagen bis 1979.
  • Mose und seine Bedeutung für die israelitisch-jüdische Religionsgeschichte, 1922.
  • Alttestamentliche Theologie auf religionsgeschichtlicher Grundlage, I–II, 1933.

 


Alfred Bertholet

Biographie

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* 1868 † 1951

© haendelgoe1920.de

Von 1887–1892 studierte der Schweizer B. in Basel mit Studienaufenthalten sowohl in Straßburg als auch in Berlin. Zu seinen Lehrern gehörten u.a. der Alttestamentler Bernhard Duhm, der Orientalist Theodor Nöldeke und der Kirchengeschichtler Adolf von Harnack. Nach Lizenziat 1895 und Habilitation 1896 in Basel wurde er 1899 außerordentlicher Professor, 1905 ordentlicher Professor. 1913 ging er nach Tübingen, 1914 nach Göttingen und schließlich 1928 nach Berlin. Zunächst der „Wellhausenschen Schule“ verpflichtet, wendete Bertholet sich später vor allem der „religionsgeschichtlichen Schule“ zu. Seine Arbeiten zur Religionsgeschichte versuchen eine allgemeine Phänomenologie der Religionen darzubieten, wobei er sich auf eine Fülle selbst gesammelten und geordneten Materials beziehen konnte. Die religionsgeschichtlichen Artikel der zweiten Auflage der RGG verantwortete er als Redakteur. B. wurde aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen u.a. 1918 Ehrenmitglied der amerikanischen Society of Biblical Literature and Exegesis und 1938 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.

Ausgewählte Werke

  • Die Stellung der Israeliten und Juden zu den Fremden, 1896.
  • Leviticus erklärt, 1901.
  • Kulturgeschichte Israels, 1919.
  • Dynamismus und Personalismus in der Seelenauffassung, 1930.
  • Ezechiel, 1936.
  • Der Sinn des kultischen Opfers, 1942.
  • Wörterbuch der Religionen (in Verbindung mit H. Freiherr von Campenhausen), 1952.

 


Hugo Gressmann

Biographie

Gressmann
* 1877 † 1927

© UB der HU zu Berlin
Porträtsammlung: Hugo Gressmann
G. studierte Theologie und ao. Sprachen in Greifswald, Göttingen, Marburg und Kiel bei u.a. bei J. Wellhausen, R. Smend, wurde 1899 in Göttingen zum Dr. phil. und 1902 in Kiel zum Dr. theol. promoviert, war 1902–1906 PD in Kiel, 1906 Mitarbeiter des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaften in Jerusalem und 1907–1927 Prof. in Berlin. G. ist ein profilierter Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule, der sich in Ergänzung der literarkritischen Arbeit seiner Lehrer Wellhausen und Smend konsequent der v.a. von A. Eichhorn angeregten Fragestellung öffnete und den gattungs- und überlieferungsgeschichtlichen Ansatz H. Gunkels aufnahm, wie u.a. die Kommentare in SAT zeigen. Die von G. gemeinsam mit Fachgelehrten hg. Sammlungen ao. Texte und Bilder zum AT (AOT und AOB) wurden Standardwerke für die religionsgeschichtliche Erschließung des AT. Große Verdienste erwarb sich G. als Leiter des Institutum Judaicum (seit 1922), dem er mit der Abkehr von der Judenmission und der Hinwendung zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Judentum eine neue Bestimmung gab, sowie als Hg. der ZAW (seit 1924).

Ausgewählte Werke

  • Der Ursprung der israelitisch-jüdischen Eschatologie, 1905.
  • Mose und seine Zeit: Ein Kommentar zu den Mosesagen, 1913.
  • Die Lade und das Allerheiligste des salomonischen Tempels, 1920.
  • (Hrsg.), Altorientalische Texte zum Alten Testament, 21926.

  • (Hrsg.), Altorientalische Bilder zum Alten Testament,21927.

  • Der Messias, 1929. (Neubearbeitung der israelitisch-jüdischen Eschatologie, aus dem Nachlass herausgegeben von Hans Schmidt)

 


Otto Eißfeldt

Biographie

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* 1887 † 1973

© bibelwissenschaft.de
Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte E. von 1905–1912 Theologie und Orientalische Sprachen in Göttingen und Berlin. Zu seinen Lehrern in Göttingen gehörten Julius Wellhausen und Rudolf Smend sen., in Berlin Wilhelm Graf Baudissin und Hermann Gunkel. In Berlin wurde er zum Lic. theol. promoviert (1911) und habilitierte er sich (1913). Er arbeitete dort ab 1913 als Privatdozent für das Fach Altes Testament. 1916 wurde er in Göttingen zum Dr. phil. promoviert. 1922 erhielt er einen Ruf nach Halle, wo er den Lehrstuhl für „Altes Testament und Semitische Religionsgeschichte“ bis zu seiner Emeritierung innehatte. Seine Forschung war der Literargeschichte und der Religionsgeschichte in besonderem Maße verpflichtet. Einen wichtigen Beitrag zur literarkritischen Forschung leistete er mit seiner Hexateuch-Synopse (1922). Auf dem Feld der Religionsgeschichte machte sich E. bei der Auswertung der 1929 entdeckten keilalphabetischen Texte von Ugarit verdient.

Ausgewählte Werke

  • Hexateuch-Synopse, 1922.
  • Einleitung in das Alte Testament unter Einschluß der Apokryphen und Pseudepigraphen, 1934, 31964, 41976 (Nachdr. d. 3. Aufl.).
  • Die ältesten Traditionen Israels, 1950.
  • EI im ugaritischen Pantheon, 1951.
  • Die Genesis der Genesis, 2
  • Kleine Schriften, 6 Bde., 1962–1979.

 


Johannes Hempel

Biographie

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* 1891 † 1964
Von 1925 bis 1928 hatte H. den Lehrstuhl für AT an der Universität Greifswald inne und nahm dann die Nachfolge von A. Bertholet in Göttingen an. Im November 1933 gehörte Hempel zu den Unterzeichnern des Bekenntnisses der Professoren an den dt. Universitäten und Hochschulen zu A. Hitler und dem nationalsozialistischen Staat. Er übernahm die Herausgeberschaft der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. Im Jahre 1937 wurde er nach Berlin berufen und leitete das Institutum Judaicum zur Erforschung des Judentums „vom Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung aus.“ Im Jahre 1939 erklärte Hempel seine Mitarbeit am Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben als Leiter der Arbeitsgruppe Altes Testament. Auf der Arbeitstagung im März 1941 referierte er über „Die Aufgabe von Theologie und Kirche von der Front her gesehen.“ Nach der Rückkehr aus russischer Kriegsgefangeschaft konnte H. aufgrund seiner Haltung im "Dritten Reich" den Berliner Lehrstuhl nicht mehr innehaben. Nach einer "formellen «Entnazifizierung»" (R. Smend) war H. dann von 1947-1957 im kirchlichen Dienst tätig und wirkte von 1958 bis zu seinem Tod noch als Honorarprofessor an der Universität Göttingen.

Ausgewählte Werke

  • Der alttestamentliche Gott. Sein Gericht und sein Heil, 1926.
  • Gott und Mensch im Alten Testament. Studie zur Geschichte der Frömmigkeit, 1926.
  • Altes Testament und Geschichte, 1930.
  • Die althebräische Literatur und ihr hellenistisch-jüdisches Nachleben, 1934, 21964.
  • Das Ethos des Alten Testaments, 1938, 21964.
  • Glaube, Mythos und Geschichte im Alten Testament,1954.
  • Die Texte von Qumran in der heutigen Forschung. Weitere Mitteilungen über Text und Auslegung der am Nordwestende des Toten Meeres gefundenen hebräischen Handschriften, 1962.
  • Geschichte und Geschichten im Alten Testament bis zur persischen Zeit, 1964.

 


Leonhard Rost

Biographie


* 1896 † 1979


Nach dem Studium in Erlangen wurde R. zunächst 1922 in Arabistik promoviert, 1925 dann mit einer Arbeit über die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids in der Theologie. Seine akademische Laufbahn setzte er anschließend in Erlangen als Privatdozent fort (1926), ehe er 1929 nach Berlin wechselte. Dort wirkte er von 1935 bis 1939 als nichtbeamteter Extraordinarius. 1938 erhielt er einen Ruf nach Greifswald, dem er folgte, ehe er 1946 nach Berlin und 1956 zurück nach Erlangen ging. Während der Zeit des Nationalsozialismus trat er der Bekennenden Kirche bei und wirkte in deren Prüfungskommission mit. Sein Interesse galt in besonderem Maße dem Verhältnis von Judentum und Christentum. So wirkte R. in seiner ersten Zeit in Berlin als Dozent am Institutum Judaicum, wo er als Förderer des Studiums der Mischna auftrat. Nach dem Krieg machte er sich um den Wiederaufbau dieses Instituts verdient, dessen Leitung er übernahm. Bleibenden Nachhall erfährt vor allem seine These einer Thronnachfolgegeschichte von 2 Sam 6 bis 1 Kön 1–2 und seine Mitarbeit an der Erstellung der Konkordanz zum Alten Testament Gerhard Lisowskys.

Ausgewählte Werke

  • Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids, 1926.
  • Israel bei den Propheten, 1937.
  • Die Vorstufen von Kirche und Synagoge im Alten Testament, 1938.
  • Das kleine Credo und andere Studien zum Alten Testament, 1965.

 


Ludwig Wächter

Biographie


* 1922 † 2010


Nachdem W. in Kriegsgefangenschaft geraten war, studierte er nach seiner Rückkehr Theologie in Jena. Von 1954–1967 arbeitete er als (Ober-)Assistent für Altes Testament in Rostock. Während dieser Zeit verfasste er seine Dissertation „Rabbinischer Vorsehungs- und Schicksalsglaube“ (1958), die in Jena eingereicht worden ist, und seine Habilitation „Der Tod im Alten Testament“ (1964). Mit den Tod- und Unterweltvorstellungen im alten Israel und im alten Vorderen Orient bechäftigte er sich auch nach seiner Habilitation weiter, sodass eine Reihe wichtiger Artikel Wächters zum Thema erschienen. Von 1968 bis 1988 arbeitete er als akademischer Lehrer in Berlin. Sein Forschungsinteresse richtete sich neben der Landeskunde Israels, der Philologie und Religionsgeschichte auch auf das Verhältnis von Judentum und Christentum.

Ausgewählte Werke

  • Rabbinischer Vorsehungs-und Schicksalsglaube, 1958.
  • Der Tod im Alten Testament, 1964.
  • Zum Verständnis des Judentums, 1985.
  • Kleine Schriften zum antiken Judentum und zum jüdisch-christlichen Dialog, 2012.