Humboldt-Universität zu Berlin - Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie

Interkulturelle Theologie

(Missionswissenschaft und Ökumenik)

 

Das weltweite Christentum findet sich vor in einer Fülle von verschiedenen kulturellen Prägungen und braucht zu deren Entschlüsselung Methoden der interkulturellen oder komparatistischen Forschung. Die Mehrzahl der Christinnen und Christen lebt heute (wieder) außerhalb der „westlichen“ Welt, wie dies auch bereits während der ersten 1000 Jahre des Christentums der Fall war.

Die weltweite Verbreitung und kulturübergreifende Verfasstheit des Christentums ist nicht das Ergebnis zufälliger historischer Entwicklungen, sondern ist bereits angelegt in der Vision der frühchristlichen Bewegung, eine Gemeinschaftsbildung zwischen Menschen zu ermöglichen über die Grenzen von ethnischen Gruppierungen oder  politischen Gemeinwesen hinaus. Zu dem Prozess, den wir heute „Globalisierung“ nennen, haben das Christentum und andere Religionen vor rund 2000 Jahren bereits entscheidende Beiträge geleistet.

Aus diesen Beobachtungen ergeben sich eine Reihe von Aufgaben für die wissenschaftliche Selbstreflektion des Christentums, u. a.

  • die Erforschung der spezifischen kulturübergreifenden Formen der Gemeinschaftsbildung, mit denen das Christentum innovative Beiträge zur Geschichte menschlicher Sozialformen geleistet hat, und deren Verknüpfung mit theologischen Deutungen.

  • der Vergleich mit Weitergabe und Ausbreitung von anderen Religionen, insbesondere mit deren kulturübergreifenden Sozialformen. Dies ermöglicht es der theologischen Selbstreflektion des Christentums, den eigenen Platz in einer gemeinsamen Ausbreitungsgeschichte der Religionen zu bestimmen. 

  • die wissenschaftliche Beschreibung von spezifischen Prägungen des Christentums in seinen verschiedenen geografischen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kontexten einschließlich der Einordnung der eigenen mitteleuropäischen protestantischen Gestalt des Christentums als eine kontextuelle Gestalt unter vielen.

  • die Kritik an eurozentrischen Engführungen von Deutungen des Christentums, seiner Geschichte und sogar seiner Ausbreitungsgeschichte, die nur während einem Fünftel ihres bisherigen zeitlichen Verlaufs von 2000 Jahren eine Ausbreitung aus überwiegend europäischer Initiative gewesen ist.

  • eine theologische Reflektion über die Einheit und Zusammengehörigkeit des weltweiten Christentums (Ökumene), die nicht nur auf den Umgang mit den konfessionellen Trennungen, sondern auch auf die Herausforderungen eines verständnisvollen Miteinanders der verschiedenen kulturellen Prägungen des Christentums eingeht.