Humboldt-Universität zu Berlin - Berliner Theologische Zeitschrift (BThZ)

25. Jahrgang, Heft 2/2008

Die Bibel in der Literatur


ANDREA POLASCHEGG
Das Wort in den Büchern. Ein kleines Panorama literarischer Bezugnahmen auf die Bibel

Der Beitrag skizziert anhand exemplarischer Beispiele das ebenso breite wie bunte Spektrum von Bibelbezügen in der Literatur. Dabei präsentiert sich die Bibel nicht allein als Multiplikator und Transformator literarischer Kommunikation, sondern sie erweist sich selbst als ein offenes Buch, das durch die Literatur kontinuierlich weiter- und umgeschrieben worden ist.

By means of a number of examples, the paper outlines the broad as well as multicoloured spectrum of biblical allusions in literary texts. In this context the Bible reveals itself not only as being a disseminator and transformer of literary communication, but also as being an ‘open’ book, which has been undergone continuous extension and change through literature.


LUTZ HAGESTEDT
Literarische Werkstiftung auf zweiter Stufe. Aspekte der Bibelrezeption in vier Autoren-Œuvres des 20. Jahrhunderts. Über Ernst Jünger, Paul Wühr, Robert Gernhardt und Patrick Roth

Der vorliegende Essay resümiert in vier knappen Skizzen vier Autoren-Œuvres, für die der Bibelbezug weder applikativ noch zufällig, sondern konstitutiv ist. Neben Ernst Jüngers (1895–1998) Werk sind dies die Arbeiten von Paul Wühr (Jg. 1927), Robert Gernhardt (1937–2006) und Patrick Roth (Jg. 1953). Die Beweggründe, sich mit der Bibel als dem zentralen Wortdokument der christlichen Überlieferung zu beschäftigen, mögen dabei sehr unterschiedlich sein. Ob im Einzelnen ein orthodoxer oder heterodoxer Umgang mit biblischem Wissen und heiligen Texturen vorliegt, ob damit ein Bekenntnis erfolgt oder nicht, soll hier jedoch nicht entschieden werden. Meine These lautet vielmehr, dass alle Autoren, so unterschiedlich ihre Auseinandersetzung mit der Bibel auch sein mag, dasselbe Ziel verfolgen: der eigenen Werkstiftung zu dienen.

The following essay draws up four author writings in a short version. For these authors the connection to the bible is neither applicative nor by chance. It is constitutive. The writings are written by Ernst Jünger (1895–1998), Paul Wühr (born 1927), Robert Gernhardt (1937–2006) and Patrick Roth (born 1953). The reasons researching the bible, which is the central written document of the Christian Gospel, are very different. It is neither important whether the dealings with the Christian knowledge and the holy writings are orthodox or heterodox, nor the authors want to make a profession or not. The assertion explains, how different the examination with the bible is, they want pursue the same aim: to serve the own process of writing.


KAI BREMER
Hiobs dramatische Modernität

In „Hiobs dramatische Modernität“ von Kai Bremer wird die Frage aufgeworfen, in welchem Verhältnis das Säkularisierungsnarrativ zur Wiederkehr der Religion steht. Am Beispiel zweier Hiob-Dramen, an „J.B.“ von Archibald MacLeish (1958) und „The Torments of Job“ von Hanoch Levin (1981), wird gezeigt, dass selbst säkulare Texte nicht einfach die Religion verabschieden, sondern sie transformieren, was zu einem Nachleben führt.

The article “Hiobs dramatische Modernität“ (“The dramatic modernity of Job“) by Kai Bremer discusses the relation of secularization to the intensively debated ‘return of religion’. The author discusses the plays “J.B.“ by Archibald MacLeish (1958) and “The Torments of Job“ by Hanoch Levin (1981) and shows, that even explicitly secular texts do not abolish, but transform religion, thus securing its survival once more.


DANIEL WEIDNER
Zitieren in Wort, Bild und Schrift. Bibelzitate in „Sankt Joseph der Zweite“ aus Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre

Der Beitrag untersucht die Komplexität literarischen Zitierens der Bibel am Beispiel des Beginns von J.W. Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre. Das Zitieren wird fiktionalisiert wird und das Zitatbewusstsein den Handelnden zugeschrieben; das Zitat wird ikonographisch vermittelt und schwankt zwischen Bild- und Schriftzitat; schließlich nimmt es eine Schlüsselrolle in der zitathaften Erzählstruktur der Wanderjahre ein.

Using the example of the beginning of J.W. Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre,the essay analyses the complex function of biblical citations in Literature. Goethes fictionalises the act of quotation and ascribes its to the protagonists and combines visual and verbal citations; the citation of the bible acts as the matrix of the overall citational structure of the Wanderjahre.


WILLI HOFFMANN
Schillers „verlorener Sohn – Die Räuber“. Zur kaum bekannten christlichen Prägung Schillers

Das Drama zeigt Schillers christliche Prägung mit lutherischem und altpietistischem Einschlag, die mit Eingriff des Herzogs durch religionsfeindliche Literatur erschüttert und mit Karls Umkehr zur neuen Identität als Dichter integriert wurde. Ihre Grundlage ist die theologische Bestimmung des Menschen mit Rechtfertigung des Sünders in Antithese zu einer „halben“ Aufklärung. Psychosomatik und Psy¬chologie des Unbewussten ermöglichen eine bewusste Bejahung von Religion im Prozess der Aufklä¬rung.

The drama shows Schiller's Christian identity through Lutheran and old pietistic influence, which was shaken by the Duke through literature hostile to religion and integrated with Karl's turn to a new identity as a poet. It is based on the theological determination of human beings through justification of the sinner as antithesis to a "semi" Enlightenment. Psychosomatics and the psychology of the unconscious enable a conscious affirmation of religion during the process of the Enlightenment.


KARIN SCHÖPFLIN
Belsazar – die literarische Karriere eines biblischen Bösewichts

Vom ausgehenden Mittelalter (Chaucer) bis zur Mitte des 18. Jh.s (Händel / Jennens) dient Belsazar als Inbegriff des Frevlers, des gotteslästerlichen Fürsten (Sachs) oder des unbußfertigen Sünders (Calderón) exemplarisch lehrhaften Zwecken. Mit der Daniel-Gestalt schwindet auch diese Lehrhaftigkeit: Neben einem ausnahmsweise nahezu empfindsamen Belsazar (Goethe) erscheint er als politische Chiffre für einen todgeweihten (Byron) Despoten, den die Untergebenen zu Recht beseitigen (Heine). Es bleibt die Schrift an der Wand, die assoziativ eine politische Botschaft impliziert (Andersch).

From the end of the Middle Ages (Chaucer) up to the middle of the 18th century (Handel/ Jennens) Belshazzar appeared as an exemplary villain intended to warn princes (Sachs) or unrepentant sinners (Calderón). After Goethe’s exceptional sentimental hero – the first who is no more confronted with Daniel and his wisdom – Romantic lyrics imply a political message in Belshazzar’s story (Byron, Heine). Andersch explicitly only mentions the writing on the wall, also associating a political dimension.


JÜRGEN HENKYS
Bobrowskis Bibeln. Lesespuren – Einträge – Werkreflexe

Johannes Bobrowskis Lyrik und Prosa ist durchwirkt von verdeckten Anspielungen und Zitaten. Aus dem Gesamtkomplex dieser intertextuellen Verspiegelung des Werkes behandelt der Aufsatz nur den Rückgriff des Dichters auf die Bibel, näherhin das Verhältnis von literarischem Schaffen und biblischer Verwurzelung. Als neue Quelle dienen dem Autor Anstreichungen und Einträge in Bobrowskis Bibeln, wie sie 2006 durch Bibliotheksforschungen von Dalia Bukauskaite sichtbar gemacht worden sind.

Poetry and prose of Johannes Bobrowski are interwoven by hidden allusions and quotations. The article deals with these intertextual reflections, but considering merely the poet’s resort to the Bible. Main interest of this issue is the relationship between the poet’s literary creating and his rootedness in biblical ground. There is a new source, serving the author’s investigation: notices and underlined verses in Bobrowki’s own Bibles. They can be found in a research on Bobrowski’s library, published in 2006 by Dalia Bukauskaite.


Theologie im biographischen Kontext


REINHARD SCHWARZ
Das Heil der christlichen Religion im Verständnis Martin Luthers

Luthers Rede vom Heil gibt Einblick in sein Verständnis der christlichen Religion: Christus als Grund des Heils muss in seiner Gegenwart im Evangelium vom Glauben wahrgenommen werden, nicht als geschichtlich vergangene Heilsursache, wie auch eine fides historica nicht zum Heil verhilft. Das bedeutet für Luther zugleich, dass Christus weder die Rolle eines Gesetzgebers noch die eines im Jüngsten Gericht mit Lohn oder Strafe urteilenden Richters zugeschrieben werden darf, vielmehr bleibt er für den Glauben wie gegenwärtig so am Jüngsten Tage der Erlöser, der vom Unheil der Gottesentfremdung in Sünde und Tod befreit, ebenso von der Macht des Gesetzes, insofern es den Menschen vor Gott anklagt und verurteilt.

Luther´s talk of salvation demonstrates his understanding of Christian religion: Christ as the basis of salvation has to be perceived by faith as present in the Gospel, not as a past cause of salvation – just as the fides historica does not procure salvation. This also means for Luther that one should ascribe to Christ neither the role of a law giver nor the role of the judge in the last judgement, meting out rewards and punishments. Rather, for the believer, Christ is and remains the Saviour, both now and on the day of judgement, a saviour who liberates from the evil of being estranged from God in sin and death and from the law insofar as it accuses and condemns man before God.