36. Jahrgang, Heft 1/2019
Traum und Vision
FRANZISKA EDE
„Es ist ein Gott im Himmel, der kann verborgene Dinge offenbaren“ (Dan 2,28). Traum- und Rätseldeutung in Gen 40 f. und Dan 2; 5
Vorliegender Aufsatz will den traditionsgeschichtlichen Hintergrund der alttestamentlichen
Traum- und Rätseldeutung in Gen 40 f.; Dan 2; 5 beleuchten und die literarische
bzw. theologische Funktion jener Divinationspraxis im Mikro- und Makrokontext
der oben angeführten alttestamentlichen Erzählungen untersuchen.
This essay attempts to illuminate the traditio-historical background of dream
and riddle interpretation in Gen 40 f.; Dan 2; 5 and offer reflections on the literary
and theological function of this divinatory practice within the micro- and macro-context
of the above Hebrew Bible / Old Testament narratives.
KONRAD HUBER
Visionen, Epiphanien, Nachtgesichte. Ihr Beitrag zur Charakterisierung des Paulus in der Apostelgeschichte
Erzählungen visionärer Erfahrungen begegnen in der Apostelgeschichte auffallend
häufig und in mannigfacher Gestalt. Im Rahmen der Gesamtkomposition kommt ihnen eine Signalwirkung und die Funktion der Legitimierung markanter
Wendepunkte im Geschehensverlauf zu. Für die dem Paulus zugeschriebenen Visionen
fragt der vorliegende Artikel nach ihrem spezifischen Beitrag zur Charakterisierung
der Figur des Visionärs. Inhaltliche und formale Aspekte greifen dabei
ineinander, insbesondere etwa, wenn es darum geht, Paulus als prophetische Gestalt
zu präsentieren.
In the Acts of the Apostles, narratives of visionary experiences occur strikingly
frequently and in manifold forms. Within the framework of the overall composition,
they have a signal effect and the function of legitimizing significant turning
points in the course of events. With regard to visions attributed to Paul, the present
article asks for their particular contribution to the characterization of the visionary
himself. Content-related as well as formal aspects are intertwined, in particular
when it comes to presenting Paul as a prophetic character.
MALTE DOMINIK KRÜGER
Wie wirklich sind Träume? Überlegungen aus Philosophie
und Theologie
Die Frage, ob und inwieweit Träume wirklich sind, lässt sich unterschiedlich beantworten.
Waren die neuzeitliche Philosophie und moderne Theologie skeptisch,
bahnt sich in aktuelleren Entwürfen von Philosophie und Theologie eine Neubewertung
an: Träumen und Glauben hängen beide, wenn auch unterschiedlich,
mit der menschheitsspezifischen Einbildungskraft zusammen.
Whether dreams are real can be answered in various ways. While modern philosophers
and theologians were skeptical, contemporary approaches re-evaluate the
question: Dreaming and believing are both, although differently, connected to human
imagination.
MAIKE SCHULT
Die Macht der Bilder und die Ohnmacht der Sprache.
Träume in der Traumaforschung
Traumatische Ereignisse werden bildlich gespeichert. Sie lassen sich darum
schwer ordnen und kaum in Worte fassen, sondern melden sich unvermittelt zurück:
als Albträume, Flashbacks, Intrusionen, die den Schrecken einblenden, die
Betroffenen überfluten und in einem Hier-und-Jetzt-Gefühl gefangen halten.
Andererseits kennt die Traumatherapie auch die Arbeit mit guten Gegenbildern:
Imaginationen vom sicheren Ort etwa. Der Artikel erkundet den Zusammenhang
von Trauma und Traum in kulturwissenschaftlicher, psychologischer und poimenischer
Perspektive.
Traumatic experiences are memorized in images and lead to speechlessness and
disintegration. Therefore it is difficult to put them in order. Traumatic events cannot
be forgotten. They come back suddenly in nightmares, flashbacks, intrusions and scare the inner life with overwhelming feelings. On the other hand, trauma
therapy uses good images (“safe places” ) to cope with the situation. Against the
background of trauma research, this contribution explores the special range of
trauma-expression and points out the link between dream and trauma, vision and
reality in the perspective of culture studies, psychology and pastoral care.
ANDREAS HEUSER
„Visionäres Branding“. Zur okularen Hermeneutik politischer Theologie in afrikanischen Megakirchen
Afrikanische pentekostale Megakirchen bilden eine okulare Hermeneutik aus, in
der visionäre Welterschließung auch den Raum des Politischen umfasst. Solch visionäres
Branding von megakirchlicher politischer Theologie umfasst herrschaftstheologische
Konzepte, postkoloniale Geschichtsrevision oder den Sprechakt des
Befehls wie auch internationale Vernetzungspraxis. In der Debatte um visionäre
Wahlprognostik formen sich Megakirchen als zivilgesellschaftliche Akteure aus.
African pentecostal megachurches express political theologizing by way of ocular
hermeneutics. The visionary branding of politics comprises dominion theology,
postcolonial revision of history or the speech act of command as well as international
networking. In debates over visionary interventions in political elections,
megachurches tend towards widening spaces for civil society.
IRIS WENDERHOLM
Gottes unsichtbarer Pinsel. Bilder von Vision und Traum in der Kunst
Die bildliche Darstellung von Traum- und Visionsberichten biblischer Texte in
der Kunst des Mittelalters und der frühen Neuzeit steht unter zahlreichen Herausforderungen.
Wie ist innerliches und individuelles Erleben darzustellen? Wie
sind Räume des Heils, sind irdische und himmlische Sphäre, zu gestalten und in
ihrer Unterschiedlichkeit sichtbar zu machen? Wie wird visionäre Gottesschau
künstlerisch aufgegriffen, ohne zum theologischen Problem zu werden? Anhand
ausgewählter Beispiele sollen die gefundenen Lösungsansätze besprochen werden,
um schließlich besonders die Auferweckungsvision des Propheten Ezechiel (Ez 37),
dargestellt von Johann Martin Schmidt (um 1770, Benediktiner-Stift Göttweig,
Krypta) in ihren wirkungsästhetischen Konsequenzen auswerten zu können.
The pictorial representation of dream and vision reports of biblical texts in medieval
and early modern art faces various challenges. How should inner and individual
experiences be portrayed? How is the realm of salvation, are the earthly
and the celestial sphere to make manifest in their differences? How is the vision of
God artistically taken up without becoming a theological problem? Using selected
examples, the approaches found will be discussed, in order to focus especially on
the esthetical effect of the vision of resurrection of the prophet Ezechiel (Ezek 37),
by Johann Martin Schmidt (ca. 1770, Benediktiner-Stift Göttweig, crypt).